Atem und Emotionen
„Das hat mir den Atem verschlagen.“ - Sicher haben Sie diesen Satz schon einmal gehört, wenn nicht sogar selbst ausgesprochen. Er gibt einen Hinweis darauf, dass die Atmung sehr stark von Gefühlen beeinflusst wird, denn hinter diesem Spruch steht meist ein starkes emotionales Ereignis. Besonders in den letzten zwei Jahren haben wir täglich Situationen erlebt, die dazu geführt haben, dass wir den Atem angehalten haben. Dies passiert besonders dann, wenn wir auf etwas warten, etwas hören, dass uns fesselt. Bevor Sie weiterlesen, versuchen Sie sich folgende Situation vorzustellen: Sie sind gerade mit einer alltäglichen Arbeit beschäftigt, plötzlich hören Sie ein ungewohntes Geräusch. Was machen Sie unwillkürlich? Sie halten den Atem an. Normalerweise atmen Sie sofort wieder weiter, wenn Sie wissen, wodurch das Geräusch ausgelöst wurde. Wenn Sie aber ständig konfrontiert werden mit neuen Geräuschen, neuen Informationen, neuen schlechten Nachrichten, die Sie in Angst und Schrecken versetzen, kommen Sie aus dem Atem anhalten gar nicht mehr heraus. Die anatomischen und physiologischen Funktionen der Atmung habe ich bereits in meiner Therapiebeschreibung Atemtraining erklärt. Es ging mir hier hauptsächlich auf den Einfluss einer korrekten Atmung auf die Stimmfunktion. Aber auch auf unsere „Stimmung“ hat der Atem einen großen Einfluss. Der menschliche Körper ist keine Einbahnstraße, sondern beeinflusst sich gegenseitig in alle Richtungen. So hat unsere Art zu atmen direkte Auswirkungen auf fast alle Körperfunktionen. Wenn wir den Atem anhalten, verkrampft sich unsere Körpermitte. Ganz konkret bedeutet das, unser verkrampftes Zwerchfell, welches unser Hauptatemmuskel ist, kann sich weder voll ausdehnen, noch ganz entspannen. Darunter leidet auch unsere Verdauung, denn das Zwerchfell massiert normalerweise beim Absenken unsere Bauchorgane und trägt dadurch zu einer besseren Durchblutung bei. Die wiederum sorgt für eine bessere Funktion von Magen, Darm, Leber usw. Selbst wenn wir uns ausgewogen ernähren, was heute auch leider nur bei den Wenigsten von uns der Fall ist, kann diese Nahrung nicht vollständig verdaut werden, um uns so mit ausreichend Energie zu versorgen, „es liegt uns etwas schwer im Magen“. In der TCM spricht man von einer schwachen Mitte. Unsere Energieversorgung ist auch von ausreichend Sauerstoffzufuhr abhängig. Die Lunge kann sich nicht aus eigener Kraft mit frischer Luft füllen, sie ist davon abhängig, dass das Zwerchfell sie dabei unterstützt. Ein angespanntes Zwerchfell kann das nur ungenügend tun. Wir erhalten also nicht nur unzureichend Energie aus der Nahrung (Nahrungs-Qi), sondern auch nicht genug Luft, um diese umzusetzen (Atem-Qi). Die Lungen sind auch beteiligt an der Aufrechterhaltung des ph-Werts im Blut, indem sie Sauerstoff aufnehmen und das Kohlendioxid mit der Ausatmung abgeben. Kohlendioxid wird im Blut zu Kohlensäure und kann bei einem zu starken Anstieg, z.B. bei schweren Lungenerkrankungen, zu einem lebensbedrohlichen Zustand, der respiratorischen Azidose, führen. Die Redewendung „Ich bin sauer“ stellt einen Zusammenhang her zwischen „Säure“ und negativen Emotionen. Vielleicht ist dieser Zusammenhang zu einem übersäuerten Blut noch nicht wissenschaftlich untersucht worden, aber ich finde ihn in diesem Zusammenhang sehr treffend. Wut kann zu einer vertieften oder auch zu einer unterdrückten Atmung führen, womit wir wieder beim Thema Atem und Emotionen sind.
Eine weitere Folge von unzureichender Funktion des Zwerchfells macht sich im Blutkreislauf bemerkbar: Das Blut, unser „Lebenssaft“, kann nicht mehr richtig zirkulieren und uns mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, wenn unser Atemmuskel streikt. Das Zwerchfell ist stark beteiligt am Rückfluss des venösen Bluts zum Herzen. Wenn dort nicht genügend ankommt, fehlt es anschließend an sauerstoffreichem Blut im Kreislauf. Und das Blut, das nicht zurückfließt, führt zu einem Stau in der Peripherie. (Bei einer Herzinsuffizienz führt dies auf Dauer zu einem offenen Bein, einem Ulcus cruris.).
Doch wieder zeigt sich, dass unser Körper ein Wunderwerk der Natur ist, denn sie hat die Atemfunktion so eingerichtet, dass wir sie willentlich kontrollieren können. Die Grundfunktion wird vom Atemzentrum im verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) gesteuert, das aus der Peripherie des Körpers Informationen erhält, um die Atmung an die Bedürfnisse anzupassen.
Das vegetative Nervensystem, bestehend aus Sympathikus und Parasympathikus, haben ebenfalls direkten Einfluss auf die Regulation der Atmung, ein weiterer Zusammenhang zwischen Atmung und Emotionen. Wir können aber auch bewusst unsere Atmung beeinflussen und die Funktionen steuern, und somit die oben genannten Vorgänge unterstützen. Wenn wir lange Zeit, z.B. auch durch sitzende Tätigkeiten, unsere Atemmuskeln nicht richtig benutzt haben, wird es anfangs ungewohnt sein und vielleicht auch nicht auf Anhieb gelingen, die Bewegungen korrekt auszuüben. Aber es ist wie beim Sport, es handelt sich um Muskeln, die trainiert werden müssen und können. In Studien mit Menschen, die an Depressionen oder Angststörungen litten, hat man festgestellt, dass man dazu täglich nur 10-15 min Zeit braucht, am Besten verteilt auf 2-3x täglich 5 Minuten.
Ein weiterer Vorteil von Atemtraining ist, dass Sie keinerlei Hilfsmittel brauchen, vorausgesetzt, Sie leiden nicht an einer schweren Atemwegserkrankung. Anfangs ist es hilfreich, sich von einem Therapeuten unterstützen zu lassen, der Ihnen die für Sie passenden Atemübungen zeigt. Durch Berührungen lässt sich der Atem außerdem durch eine bessere Körperwahrnehmung an die richtigen Stellen lenken.
Wenn auch Sie wieder richtig durchatmen wollen, vereinbaren Sie gerne einen Termin für ein kurzes Informationsgespräch, in dem wir die Möglichkeiten eines Atemtrainings bzgl. Ihres individuellen Beschwerdebilds besprechen können.