Der Begriff "Geist" ist in der westlichen Welt ein Synonym für "Intellekt" oder auch "Verstand". In der TCM findent man den Begriff Shen, der auch mit "Bewusstsein" übersetzt wird. Der Shen/Geist ist Ausdruck einer kosmischen Dimension und nicht allein auf das Individuum bezogen. Im Daoismus (Dao = Weg, den es zu beschreiten gilt), kann der Mensch nur mit Hilfe seines Geistes eine Einheit mit der Natur bilden. Der Dao hat eine natürlichen, vorgegebene Richtung. Sucht man Heilung, darf man nicht die entgegengesetzte Richtung einschlagen oder ihren natürlichen Verlauf verhindern bzw. beeinträchtigen. Übersetzt heißt das, dass man der Natur nicht zuwider handeln und nicht stark in sie eingreifen darf, man muss „der Natur freien Lauf lassen“, sie gegebenenfalls darin unterstützen. Der Geist kann weder Yin noch Yang zugeordnet werden und steht deshalb außerhalb dieser beiden Pole. Er hat seinen Sitz im Herzen, wodurch unmittelbar alles, was sich auf das Herz auswirkt, auch Einfluss nimmt auf den Geist. Eine direkte Einwirkung auf den Geist ist aus Sicht der TCM nicht möglich, er muss über das Herz oder die anderen Organe indirekt erfolgen. Wenn man versucht, direkten Einfluss zu nehmen, löst er sich auf, er wird entwurzelt.
Was hat das Ganze jetzt mit Emotionen zu tun? Gefühle sind wesentliche Bestandteile des Menschen und können den Geist krank machen, da sie ihm seiner kosmischen Qualitäten berauben können. Emotionen sind Reaktionen auf die Umwelt, auf die jeweilige Situation, in der der Mensch sich befindet. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um äußere oder um innere Umstände handelt.
Es wird oft der Rat erteilt, dass man Situationen, die man (momentan) nicht ändern kann, durch eine veränderte Haltung dazu verbessert. Dies gilt natürlich nur für nicht direkt lebensbedrohliche Zustände. Nicht jede Situation ist für jeden Menschen gleich schwer oder gleich leicht zu ertragen, es kommt immer auch auf die innere Einstellung dazu an. Die Auswirkungen auf den Geist sind jedoch die selben. Emotionen, die zu einseitigem, übersteigertem oder unangemessenem Verhalten führen, können krank machen.
Ein kleines Beispiel dazu, dass Ihnen vielleicht bekannt vorkommt:
Sie fahren morgens während der Rushhour zur Arbeit und kommen regelmäßig in den Stau. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie darauf reagieren können:
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Da Sie wissen, dass es zu dieser Uhrzeit auf Ihrem Weg zur Arbeit Stau gibt, fahren Sie rechtzeitig los, um nicht zu spät zu kommen. Weil Sie damit rechnen, länger zu brauchen, kommen Sie entspannt am Arbeitsplatz an. Vielleicht ging es dieses mal sogar etwas schneller und Sie haben noch Zeit für einen kurzen Plausch mit Ihren Kollegen und für eine Tasse Kaffee.
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Sie wissen, dass Sie normalerweise, ohne Stau, eine halbe Stunde zu Ihrem Arbeitsplatz brauchen. Mal klappt es, weil vielleicht gerade Ferien sind, aber meistens brauchen Sie mindestens eine dreiviertel Stunde. Sie kommen also eine viertel Stunde später ziemlich abgehetzt an ihrem Arbeitsplatz an. Vorher haben Sie sich schon gefühlte hundert Mal über andere Autofahrer aufgeregt, haben gehupt, vielleicht auch laut geschrien oder unanständige Gesten ausgeführt. Dann nimmt ihnen auch noch jemand den besten Parkplatz weg und Sie müssen noch länger bis zum Büro laufen. Der nächste, der Ihnen über den Weg läuft, ist ein Kollege, über den Sie sich bei der letzten Betriebsfeier aufgeregt haben. Der wird dann auch erst einmal angebrüllt, obwohl er vielleicht nur “Guten Morgen“ gewünscht hat. So geht das den ganzen Tag weiter, ihre Stresshormone steigen immer mehr in die Höhe, Sie brauchen mindestens eine Tafel Schokolade, um sich halbwegs zu beruhigen und bis zum Abend durchzuhalten. Wenn das nur einmal passiert, werden Sie sich wahrscheinlich über Nacht davon erholen. Passiert Ihnen das jeden Tag, kann das zu einer ernsthaften Erkrankung führen. Die Wut, der Ärger, den Sie empfinden, verletzt auf Dauer auch ihren Geist. Dabei müssten Sie doch nur eine viertel Stunde früher aufstehen, um entspannt anzukommen.
Unbedingt vermeiden sollte man im Daoismus das Aufkommen von Begierden, denn das Streben nach der Erfüllung von Wünschen zerstreut den Geist und den Körper. Wenn der verletzte Geist sein „Haus“ verlassen hat, geht auch die Kontrolle über das Qi und damit über Ihre Energiequelle verloren.
Alle Emotionen entstehen ursprünglich im Herzen, also dem Sitz des Shen. Die verschiedenen Emotionen manifestieren sich in den fünf Wandlungsphasen (Elementen), die jeweils von einem Organpaar symbolisiert werden. Die ureigene Emotion des Herzens ist die Freude. Wenn das Herz ins Grübeln kommt, zu viel über ein Problem nachdenken muss, manifestiert sich das Gefühl im Element Erde (Milz-Magen). Kommt es zu Trauer, ist das Element Metall (Lunge-Dickdarm) beeinträchtigt. Bei Ängsten leidet das Wasser-Element (Niere-Blase) und bei Ärger/Wut das Holz-Element (Leber-Galle). Dies sind die fünf grundlegenden Emotionen. Die fünf Wandlungsphasen bilden außerdem fünf verschiedene Arten von Qi („Energie“). Die Emotionen sind der Dynamik der Wandlungsphasen bzw. der dazugehörigen Organe unterworfen und greifen bei Veränderungen in die Qi-Dynamik ein. Wenn das Qi nicht mehr frei fließen kann, entwickeln sich aus Sicht der chinesischen Medizin Krankheiten. Da auch die Emotionen wie der Geist in erster Linie kosmischen Ursprungs sind und sich nur im Individuum zeigen, ist für die Heilung nicht der Auslöser der schlechten Emotion wichtig, sondern das Erlernen, mit den übermäßigen Gefühlen umzugehen. Die Behandlung des Geistes wird dadurch erschwert, dass ausreichend Qi vorhanden sein muss. Wenn aber die Kontrolle des Qi verloren gegangen ist (s.o.), sind dadurch auch die Therapiemöglichkeiten beeinträchtigt.
Grundlage für einen gesunden Geist und dadurch auch für einen gesunden Körper ist eine gelassene und fröhliche Gemütshaltung, die mit einer tiefen Zufriedenheit einhergeht. Jede aus dem Ruder gelaufene Emotion erzeugt Hitze im Herzen und vertreibt dadurch den Geist. Nur eine bescheidene Anspruchshaltung und die Beschränkung von Wünschen und Begierden bringen dem Herz, und damit dem Geist, Ruhe. Das Mäßigen von Wünschen und Emotionen ist eine wichtige Grundlage in der Prävention nach TCM, dem Yang Sheng, was frei übersetzt „Pflege der Lebenskraft“ bedeutet. Der Mensch muss, wenn nötig unter Anleitung eines Therapeuten, die Fähigkeit entwickeln, eine ausgeglichene und unerschütterliche Haltung zu gewinnen, indem er seine Wünsche und Begierden überdenkt. Dies kann gelingen, wenn er sein Herz bereit macht für die positiven Aspekte des Lebens, es zur Ruhe bringt und stabilisiert. Nur dann wird der Geist gern darin wohnen.
Leiden Sie an folgenden Symptomen:
- (geistige) Erschöpfung
- großes Schlafbedürfnis oder Schlaflosigkeit
- kein geistiges Interesse
- Mangel an geistiger Klarheit
- Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit
- Teilnahmslosigkeit
- starker Introvertiertheit?
Kennen Sie auch Gefühle, die Ihr Herz belasten und damit Ihren Geist entwurzeln? Vereinbaren Sie gerne einen Termin für ein kurzes Informationsgespräch. Gemeinsam können wir herausfinden, ob und wie ich Ihnen bei Ihren Problemen helfen kann.